Ein Rückblick auf 25 Jahre ehrenamtliche Arbeit
A.F. engagiert sich bereits seit knapp 25 Jahren in der Evangelischen Telefonseelsorge. In diesem Interview gibt sie Einblicke in ihre Arbeit, berichtet von ihrer Motivation und teilt besondere Momente mit uns.
Was hat Sie dazu motiviert, ehrenamtlich in der Telefonseelsorge tätig zu werden?
Mich hat vor 25 Jahren ein Aufruf in einer Zeitung für die Ausbildung bei der Telefonseelsorge angesprochen. So richtig wusste ich nicht, worauf ich mich da einlassen würde. Ich denke, damals dachte ich, ich würde ganz viel über den Umgang mit schwierigen Lebenssituationen, zum Beispiel Sucht oder Trauer, lernen. Stattdessen gab es ganz viel Selbsterfahrung, und noch mehr Selbsterfahrung. Ich habe viel über mich gelernt.
Können Sie uns einen Einblick in Ihren typischen Arbeitstag als Telefonseelsorgerin geben?
Ich mache häufig abends nach meiner eigentlichen Arbeit noch eine Schicht. Das heißt, ich muss erst mal umschalten und mich darauf einstellen, jetzt für andere da zu sein. Es braucht schon einiges an Energie und Konzentration. Eine Schicht dauert meistens fünf Stunden und ich bin immer gespannt, was der oder die nächste Anrufer:in auf dem Herzen hat. Wie kann ich helfen?
Ich freue mich, wenn sich Anrufer:nnen nach dem Gespräch mit mir etwas besser oder leichter fühlen, einen Moment ihre Last vergessen konnten, vielleicht trotz aller Sorgen sogar mit mir lachen konnten, vielleicht auch eine Stärke an sich oder eine neue Perspektive auf ihr Problem entdecken konnten. Und manchmal geht es einfach nur darum, da zu sein. Vermutlich ist das der wichtigste Punkt. Und das wäre dann auch kurzgefasst der Alltag: Einfach für andere da sein.
Herausforderung und Umgang
Das Schöne, aber auch Herausfordernde, ist die Vielfalt der Anrufenden und ihrer Themen. Ich begegne dem mit viel Offenheit, Akzeptanz und Kreativität. Wenn ich mich als Mensch zeige und echtes Interesse und Respekt für die Anrufenden mitbringe, ihr Problem würdige, dann entsteht meist eine gute Verbindung. Diese manchmal auch nur ganz kurze Beziehung kann bei den Anrufenden viel bewirken und sie im besten Fall „am Leben halten“.
Gibt es besondere Erlebnisse oder Gespräche, die Ihnen in Ihrer Zeit als Telefonseelsorgerin besonders in Erinnerung geblieben sind?
Ich erinnere mich an einen Mathematiker, der nach einem missglückten Suizid an mich geriet und wir uns über sein Fachgebiet austauschen konnten. Er hielt es für ein Zeichen, dass er mitten in der Nacht bei der TS gerade jemandem begegnet, die sich mit Mathematik auskennt. Es hat ihn tief beeindruckt. Ich hoffe, es hat ihm geholfen, am Leben zu bleiben.
Oder eine todkranke Frau, die mir das Rezept für ihre Lieblingpasta verraten hat (was ich heute immer noch koche) und so glücklich war, jemanden zu finden, mit der sie ein, „ganz normales Gespräch“ führen und mal wieder lachen konnte. Alle um sie herum sind nur noch traurig, da sie bald sterben wird und iiritiert, wenn sie fröhlich sein möchte. Keiner verhält sich ihr gegenüber noch normal. Das hat sie sehr belastet.
Gibt es spezifische Schulungen, die Sie sich von der Stiftung wünschen würden?
Weiterbildung ist super wichtig und das breite Angebot motiviert mich immer wieder. Gerade die für uns neuen Medien wie Chat erfordern neue Kompetenzen. Wir brauchen das Wissen, was gerade junge Menschen beschäftigt und das Leben so schwer macht und wie wir sie erreichen und gut unterstützen können.
Was würden Sie Menschen, die überlegen, sich ebenfalls ehrenamtlich in der Telefonseelsorge zu engagieren, mit auf den Weg geben?
Für mich war die Ausbildung bei der Telefonseelsorge ein Wendepunkt in meinem Leben. Und ich bin immer noch begeistert dabei und lerne bei jedem Dienst neu dazu. Es ist einfach faszinierend, was es da draußen für tolle Menschen gibt, die ich ohne die Telefonseelsorge nie die Gelegenheit gehabt hätte, sie kennenzulernen.